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„Jetzt bin ich 18!“ – oder – Absprachen sind wie Trittsteine auf unserem Weg zueinander

Vor drei Tagen ist Lotte 18 Jahre alt geworden. Und seit drei Tagen wird die Welt neu erfunden:

Bestehende Absprachen und lange bestehende Regeln sind auf einmal für sie nicht mehr gültig. Und mit den Eltern gab es seit ihrem Geburtstag ordentlich Krach, denn mit so einer Neuerfindung des Lebens auf Knopfdruck haben sie überhaupt nicht gerechnet und sind völlig überrumpelt.

„Klar kann ich jetzt so lange wegbleiben, wie ich will!“

„Wenn Du das Auto nicht brauchst, kann ich es doch haben!“

„Wieso? Ich muss Dir gar nicht sagen, wo ich hingehe oder -fahre. Ich bin jetzt volljährig!“

Rein rechtlich stimmt das natürlich

Mit 18 Jahren kann Lotte nun ihre Entschuldigungen für die Schule selbst schreiben. Sie könnte auch Pachtverträge unterschreiben, einen Lehrvertrag abschließen, eine Firma führen, Kredite aufnehmen, zu Hause ausziehen oder sogar ein Testament aufsetzen.

Allerdings muss sie jetzt auch jede ihrer Handlungen nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor dem Gesetz und schlimmstenfalls vor Gericht selber verantworten.

Lottes Lebenswirklichkeit sieht allerdings so aus, dass sie noch zwei Jahre zur Schule gehen möchte, um ihr Abitur zu machen und sie bis dahin nach wie vor in einer fünfköpfigen Familie lebt, in der es notwendige Absprachen gibt.

„Was machen wir nun in der Familie?“,

überlegten die Eltern nach den ersten drei Tagen mit all dem unverhofften Streit und in einem Gespräch mit Lotte am Abend sagte sie selbst:

„Irgendwie habe ich schon immer auf diesen 18. Geburtstag hin gelebt:
wenn ich 18 bin, dann….
Komisch, war mir selbst gar nicht so klar!“

„Uns auch nicht!“, bestätigte der Vater, „aber es ist toll, dass Du uns das so sagen kannst!
Nur, was machen wir jetzt? Wir brauchen auf jeden Fall für uns alle einen verdaulichen Umgang miteinander. Zum einen müssen wir uns weiterhin aufeinander verlassen können und außerdem brauchen wir Absprachen, mit denen wir hier zusammen die nächsten zwei Jahre, bis du ausziehst, alle gut miteinander leben können.“

Das sah Lotte ein und zusammen überlegten sie neue Modalitäten für die Autonutzung, das nach Hause Kommen, die Häufigkeit von Partys und die Aufgaben, die für die Familie zu erledigen sind.

Es dauerte aber nicht lange bis zum nächsten Streit:

Schnell wurde es Lotte zu viel, was die Eltern alles festlegen und wo sie überall Einfluss nehmen wollten. Gleichzeitig war es für die Eltern überraschend und sehr herausfordernd zu merken, wie stark die Unabhängigkeitsimpulse ihrer Tochter so plötzlich waren.

Von der gewohnten Fürsorge und dem langen Verantwortungsweg für dieses so geliebte Kind von heute auf morgen Abstand zu nehmen und Lotte, wie sie es gerne hätte, ganz frei zu lassen, fiel ihnen sehr schwer. Deswegen gab es an diesem Abend auch wieder Streit.

Nach ein paar Tagen versuchen sie es zu dritt aber noch einmal und verabredeten sich mit GAMiKi, damit sie sich gegenseitig besser zuhören können. Allen war irgendwie klar, dass sie einen Weg finden müssen – auch Lotte ist dies wichtig, weil sie ihre Eltern noch braucht – aber eben nicht mehr so wie bisher.

Zuerst zeigte Lotte ihre Wirklichkeit

Dabei hielten die Eltern den Zuhörerstein vor Spannung, was sie ihnen nun zeigen würde, ganz fest und Lotte stellte sich selbst in die Mitte des Erkenntnisbretts. Die Eltern stellte sie etwas entfernt mit einer Platte als trennende Mauer dazwischen auf.

„Die Mauer ist Eure Angst und Euer Festhalten! Das was unseren Kontakt kaputt macht!“, sagte sie dabei zu ihren Eltern.

Neben sich stellte sie dann ihren Freund und legte den Diamant vor sich. Der Diamant steht dabei für ihren ganz eigenen Lebensplan und das, was sie erreichen möchte. Und schließlich legte sie noch die verschiedenen „Streitpunkte“, wie Hausregeln, Aufgabenverteilung, abzusprechende Wochenendgestaltung, Sport- und Musikunterricht usw. mit auf das Brett zwischen sich und die Eltern.

„Am liebsten hätte ich es, dass Ihr Eure Regeln, Ängst und Vorstellungen endlich loslasst und mich jetzt selbst entscheiden und leben lasst. Dann würde es für mich so aussehen:

Nun stellte sie alle trennenden Elemente an den Rand und die Eltern dicht hinter sich. Der Diamant blieb vor und ihr Freund neben ihr.

Zu sehen, wie wichtig ihrer Lotte ein dichter Kontakt mit ihnen nach wie vor ist, berührte die Eltern sehr – doch ganz so einfach ist es für sie nicht.

Die Sicht der Mutter

Nun übernahm Lotte den Zuhörerstein und schaute zu, wie ihre Mutter sich selbst von der Position hinter Lotte wegnahm und neben die „Streitpunkte“ an den Rand stellte. Dazu sagte sie:

„Du möchtest ohne Regeln und Verbindlichkeiten leben. Das bedeutet dann aber auch, dass Du die Verbindung zu uns ein Stück verlierst. Zu jeder Beziehung gehören Regeln, Gefühle, Absprachen und das gegenseitige Vertrauen. Durch diese beziehen wir uns auf einander.“

Das fiel Lotte zwar schwer zu akzeptieren, aber dennoch erkannte sie die Wahrheit dahinter. Es brauchte noch einige weitere Wechsel des Zuhörersteins und es flossen Tränen auf beiden Seiten, weil Gefühle wie eine tiefe Liebe und Zugehörigkeit, aber auch Schmerz sichtbar wurden.

Ein guter Weg

Nach einem langen Prozess, diesmal ohne Streit, fanden Lotte und ihre Eltern schließlich einen guten Weg.

Dabei gehen alle durch das neu gewonnene Verständnis und die gemachten Erkenntnisse ein Stück weit aufeinander zu und treffen Absprachen, die für alle passen. Am Ende standen die Absprachen wie Trittsteine für den Weg zu einander und lagen auf einem roten Geschenkband, das die Liebe symbolisiert, die Lotte mit ihren Eltern verbindet.

Nach dieser GAMiKi Session waren alle sehr müde, aber zufrieden und auch ein bisschen stolz auf diesen gemeinsamen Prozess.

In den folgenden Wochen ruckelte es noch einige Male, aber durch die Erfahrung und das Abschlussbild aus der Aufstellung finden Lotte und ihre Eltern jetzt wieder viel leichter einen gemeinsamen Weg.

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